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Kurzgeschichte Teil 4

 

Die Sonne bemühte sich kläglich, durch die Wolkendecke durchzudringen, als er die Stadt erreichte. Leere Plastiktüten schwebten wie Geister aus Polyethylen im Wind und Blechdosen rollten geräuschvoll an den Reifen seines alten Geländewagens vorbei. Viel hatte sich nicht verändert, seitdem er letzte Woche Besorgungen getätigt hatte. Shadow Falls war ein kleines, verschlafenes Nest gewesen. Einwohnerzahl so etwa hundert Seelen. Nun gab es kein Anzeichen menschlichen Lebens mehr, seit der Epidemie. Nur noch Hunde und Katzen und ein Haufen Ratten streunten durch die menschenleeren Straßen, auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit. Er stoppte seinen Wagen vor der Tankstelle und holte ein paar Kanister von der Ladefläche. Benzin war, außer Munition, das wichtigste Werkzeug zum Überleben und die Tankstelle war stets der erste Anlaufpunkt auf der wöchentlichen Besorgungstour. „Wie lange ich hier wohl noch zapfen kann, bevor die unterirdischen Tanks aufgebraucht sind?“, fragte er sich und kratzte sich am Kinn.

 

 

Nach dem er die vollen Kanister verstaut hatte, fuhr er zum Supermarkt ein paar Straßen weiter. Er ignorierte den Anblick der Häuser mit den eingeschlagenen Fenstern und den umgestürzten Mülltonnen, den eingetrockneten Blutlachen und abgenagten Knochenhaufen. Eine gesunde Ignoranz schützt vor Wahnsinn, hatte er einmal gelesen und daran hielt er sich. Nachdem er den Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte, holte er einen Seesack und seine Schrotflinte von der Ladefläche und lief an den kreuz und quer stehenden Autos vorbei. Bei den meisten Wagen waren die Scheiben eingeschlagen, einige waren komplett ausgebrannt und nur noch russchwarze Metallskelette waren übrig geblieben. Früher hatte er sich immer über den überfüllten Parkplatz aufgeregt und über die halbstarken Teenager die mit lauter Musik viel zu schnell an ihm vorbei gerast waren. Wenigstens konnte er jetzt seinen Besorgungen in Ruhe nachgehen.

 

 

 

 

Die einzig schlechte Erfahrung, die er bei seinen Einkaufstouren gemacht hatte, war ein Kodiakbär der sich an der Fischtehke bediente und ihm einen gehörigen Schreck eingejagt hatte. Kauernd hatte er sich im Regal neben Kelloggspackungen versteckt, bis das zottelige Ungetüm sein Mahl beendet hatte. Aber wilde Tiere waren ihm immer noch lieber als die schwarzen Schemen die das Gebiet nachts heimsuchten. Tiere konnte man wenigstens einschätzen und wenn man ihnen ihre Ruhe ließ, passierte eigentlich nichts. Nach der Begegnung mit dem Bären hatte er die Eingangstür mit großen Sperrholzplatten vernagelt, um die Vorräte zu schützen und ungebetenen Besuchern vorzubeugen. Die Verkaufsräume konnte man jetzt nur noch über eine Dachluke erreichen.

 

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